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Marokko

Reisebericht

25. Februar 2020

Reisebericht Off-Road Tour Marokko

Zwei glorreiche Halunken

N31°04‘38 und W03°57‘49

Wir schreiben das Jahr 1978. Der letzte in der Bundesrepublik Deutschland hergestellte VW Käfer läuft im Volkswagenwerk in Emden vom Band. Reinhold Messner und Peter Habeler besteigen als erste Menschen den Mount Everest ohne Sauerstoff und in Deutschland wird die Pille für den Mann mit freiwilligen Testpersonen getestet. Beinahe unscheinbar und ohne roten Teppich geht in Ingolstadt im selben Jahr der VW Iltis vom Band. Als Nachfolge Modell des „Mehrzweck-Universal-Geländewagen mit Allradantrieb“ soll der Iltis die Bundeswehr auf Vordermann bringen.

Wir schreiben das Jahr 2002. Der Euro wird in Umlauf gebracht. Hildegard Knef verlässt uns nach zahlreichen Filmen und Liedern. Ein US-amerikanischer Präsident gewinnt den Friedensnobelpreis und in Deutschland herrscht das Jahrhunderthochwasser. Der VW Iltis läuft schon 14 Jahre nicht mehr vom Band als Ende des Jahres endlich ein „Geländewagen“ von VW auf den Markt der die Branche der Sport Utility Vehicles das Fürchten lehren soll. Der VW Touareg.

Wir schreiben das Jahr 2014: Erg Chebbi in Marokko. Um uns herum nur Dünen und in der Ferne sehen wir vereinzelt Halfagräser. Die Sonne hat Ihren höchsten Stand erreicht und wir „surfen“ durch die Dünen. Vorneweg der VW Iltis und im Schatten seiner ein VW Touareg V6 TDI. Es ist ein kleines Stelldichein, von zwei Fahrzeugen aus dem Hause VW. Eher zufällig als wirklich geplant. Zwei Fahrzeuge die jeweils Ihre Zeit geprägt haben und noch prägen. 55 KW gegen 205 KW, Klimaanlage gegen Planenverdeck und unverwechselbarem Naturerlebnis. Permanent Allrad gegen zuschaltbaren Allrad. Im VW Touareg ist jeglicher Luxus verbaut, dagegen herrscht im VW Iltis der Luxus der „Leere“, nur die existentiellen Schalter sind verbaut. Zwei Fahrzeuge, die sehr unterschiedlich sind und doch so viele Gemeinsamkeiten haben.

Wir bewegen uns gut im Sand des Erg Chebbi. Das „Surfen“ macht Spaß, auch wenn immer wieder einmal der Touareg oder der Iltis im weichen Sand der Mittgashitze stecken bleibt. Wir helfen uns gegenseitig und stellen schnell fest, welches Fahrzeug wo seine Stärken und Schwächen hat. Der Touareg meistert viel mit seinen 205 KW. Es ist immer wieder ein Genuss aufs Gas zu treten und zu merken, dass da noch etwas geht. Diese Tatsache ist sehr beruhigend. Schwierig wird es immer wieder dann, wenn der Böschungswinkel oder die Bodenfreiheit nicht mehr ausreicht und sich 2,5 Tonnen in den Sand eingegraben haben. Dann heißt es Schaufeln. Bei 37° Außentemperatur kann man sich etwas Besseres vorstellen. In solchen Situationen neige ich dazu mich zu verfluchen, den sehr selten liegt es am Fahrzeug, vielmehr am Fahrer. Nach dem Fluchen folgt meistens das Reframing Programm: „Das gehört dazu“. So auch hier und ich bin auch ganz froh, dass ich nicht alleine unterwegs bin. Der Bergegurt ist schnell angebracht und mittels der 55 KW vom Iltis wird der Touareg aus seiner misslichen Lage befreit. Hierbei zeigte sich auch gleich die Stärke vom VW Iltis. Robust und mit ansehnlichen Rampenwinkel und Böschungswinkeln ausgestattet, sind steilabfallende Dünen nicht das Problem. Bei serienmäßig 32° Rampenwinkel und 41° und 32° Böschungswinkel, tut er sich doch etwas einfacher. Punkt für den Iltis. Doch selbst diese guten Zahlen helfen nichts, wenn die Kraft nicht mehr ausreicht. Denn wenig später sitzt auch der Iltis fest. Der Touareg darf sich revanchieren. Im Sand ist Drehmoment eines der Zauberwörter und hier punktet der Touareg gegenüber dem Iltis. 500 Nm gegen 135 Nm ist eine deutliche Sprache. Dort wo der Touareg mit seiner unbändigen Kraft die Dünen hochzieht, fehlt dem Iltis ganz einfach die Power, vor allem wenn er zusätzlich zu seinem 1.300 kg Leergewicht noch Umbauten und Personen hochziehen muss. Punkt für den Touareg. Unabhängig vom Drehmoment hilft es nicht, wenn die Mechanik versagt. Denn wenig später fehlt dem Iltis gänzlich die Kraft. Bei näherer Betrachtung stellen wir fest, dass die Benzinpumpe Ihrer eigentlichen Arbeit nicht mehr nachkommt. Es hilft alles nichts. Da eine Ersatzpumpe im mobilen Ersatzteillager zu finden ist wird das Dünenmeer zur Freiluftwerkstatt. Innerhalb 4 Stunden bauen wir die neue Pumpe unter Verlust von 20 Litern Benzin ein, um dann festzustellen, dass diese auch nicht funktioniert. Da es mittlerweile Abend geworden ist, entschließen wir uns zu einem kontrollierten Rückzug. Wir lassen das Fahrzeug unter marokkanischer Beobachtung zurück und fahren in unser 10 Kilometer entferntes Camp. Weitere 3 Stunden später steht der Iltis wieder auf dem Parkplatz nach einer anstrengenden Bergeaktion unter Mithilfe von Fremdfahrzeugen, Sandblechen und Sandschaufeln. Die anstehende Reparatur verlegen wir auf morgen früh.

Am nächsten Morgen zerlegt Ali, der ortsansässige Chefmechaniker aller Fahrzeugmarken, die Benzinpumpe in alle Einzelteile und schafft es tatsächlich diese auch wieder ans laufen zu bringen. Hier zeigt sich eindeutig der Vorteil vom VW Iltis. Simple Technik schlägt hier eindeutig Hightech. Punkt für den Iltis, trotz der defekten Mechanik. Einen weiteren Punkt erhält der Iltis aus Sympathie, wegen seiner Klarheit und Übersichtlichkeit. Alle Schrauben lassen sich gut erreichen und es bedarf keiner kleinen Hände.

Zwei Tage vorher: Die Sonne weckt uns am frühen Morgen. Von Boumalne aus starten wir in Richtung Imilchil. Wir wählen die Strecke die die zwei Schluchten Gorges des Dades und Gorges des Todra miteinander verbindet. Mit ca. 40 Kilometern ist sie nicht besonders lang, verspricht uns aber ein besonderes Offroad Erlebnis. Die Strecke ist gepflastert mit Handball großen und scharfkantigen Steinen. An sich kein Problem, wenn man die richtige Bereifung gewählt hat. Der VW Iltis mit seinen AT Reifen ist gut dabei – ich denke: gut gewählt. Beim VW Touareg hat leider der Verleiher versagt. Mit normalen Sommerreifen darf ich die Runde fahren. „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Bekleidung!“ Ähnlich fühle ich mich. Und zu allem Überfluss, ist der Ersatzreifen ein Notrad. Trotzdem, „locker und leicht“ erklimmen wir die Passstraße, dabei hängt der VW Iltis dem VW Touareg im Heck. In diesem Moment fehlt beim Touareg weniger die Leistung, sondern vielmehr die Bodenfreiheit. Zwar sind 23,7 cm nicht wenig, auf dieser Strecke dann aber doch. Dem Iltis machen die großen Steine weniger Sorgen, auch kein Wunder bei 28,1 cm Bodenfreiheit. Den Punktvorteil den ich mir am Anfang „erfahren“ habe, verliere ich auf der Piste ohne Wenn und Aber. Und ich kann von Glück sprechen, den die Piste lädt nicht unbedingt zum überholen ein, ansonsten wäre mein Heckflossennachbar schon längst an mir vorbeigeflogen. Nach 2 Stunden Anstieg, erreichen wir schließlich die Hälfte der Strecke und die Passhöhe. Zeit für eine Rast. Eine Rast die länger dauern sollte als geplant. Kompletter Reifenschaden am Touareg, hinten rechts und hinten links, beide Reifen platt. Eindeutiger Punkt für AT Reifen. An Weiterfahren ist nicht zu denken. Uns bleibt nichts anderes übrig, als das Fahrzeug aufzubocken, beide Reifen abzunehmen und einzuladen und mit „Ali“ zur nächsten Werkstatt zu fahren. Nach 3 Stunden sind wir wieder zurück. Mit reparierten Reifen und einer guten und einer schlechten Nachricht. Die Gute Nachricht: die Reifen halten die Luft, die schlechte Nachricht, die Reifen werden wohl nicht sehr lange die Luft halten können. So gesehen war die Reparatur nicht perfekt. Wobei nicht perfekt, nicht an den Mechanikern lag, sondern vielmehr an der Größe der Löcher im Reifen. Die nächsten 15 Kilometer versuche ich mich als Reifenflüsterer. Wir schaffen es bis zur Hauptstraße. Ein Teilerfolg und die Hoffnung, dass die nächsten 80 Kilometer auf Asphalt den Reifen nicht sonderlich viel Schaden zufügen kann. Gut gedacht, blöd gemacht, nach 10 Kilometern, verabschiedet sich mein Lieblingsreifen hinten rechts gänzlich. Bei einem wunderschönen Sonnenuntergang montieren wir das „putzig“ kleine Notrad. Gegen 22:00 Uhr erreichen wir schließlich Imilchil. Am nächsten Morgen bekommen wir zwei neue Reifen geliefert. Allerdings sind es wieder Sommerreifen, aber für die nächsten Kilometer sollte es reichen. Da wir allerdings noch eine große Strecke vor uns haben, entsorgen wir die defekten Reifen nicht, sondern packen diese wieder in den Kofferraum.

Letztes Drittel der Reise: Goldgelb erstrahlt der Erg Chebbi in der Sonne und der Iltis und der Touareg scharren mit den Hufen. Endpunkt der heutigen Etappe soll das 230 km entfernte Zagora sein. Entlang der marokkanischen / algerischen Grenze machen wir uns auf dem Weg. Im Hinterkopf haben wir reparierte Benzinpumpe und die mangelnde Qualität der Reifen am Touareg. Die Strecke lässt sich super gut befahren und wir kommen gut voran. Es folgen eine sandige Qued Durchquerung und fantastische Ausblicke in das benachbarte Algerien. Leider ist der Grenzstreit beider Länder immer noch im vollen Gange, sodass ein Grenzübertritt immer noch unmöglich ist. Wir genießen trotzdem die Fahrt. Nach ca. 90 Kilometern meldet mein Popometer, das wir links 3 cm tiefer sitzen. Wieder ein Reifenschaden. Wenig später ist das Notrad montiert. Übung macht den Meister. Panische Angst verbreitete im Vorfeld nur die Suche nach der Sicherheitsnuss, die jeder Toaureg im Kofferraum hat und unabdingbar ist, wenn man einen Reifen am Touareg wechseln möchte. Ich halte diese ja für überflüssig und tendiere zu 5 gleichen Radschrauben. Ich bin nämlich der Meinung das man die Sicherheitsnuss eher verliert, als das jemand einem die Reifen klaut. Daher auch die panische Angst. Daher, Punkt für den Iltis. Mit max. 30 km/h geht es ins nächste Dorf, hier war nur ein kleiner Kaffeestopp geplant. Im Dorf steuern wir direkt den nächsten „Reifenreparaturdienst“ an. Schnell ist jemand aus dem Bett geklingelt und der reparierte Reifen wird im Handumdrehen auf die Felge gezogen. Danach geht es weiter in Richtung Zagora. Da mein Vertrauen hinsichtlich der Langlebigkeit meiner Reifen auf den Nullpunkt gesunken ist und die Piste immer wieder mit Steinen übersät ist, fahre ich so vorsichtig wie es nur geht. Manchmal zu langsam, sodass der VW Iltis an mir vorbeizieht. KW ist halt nicht immer alles, denke ich, vielmehr wohl das Gesamtpaket. Sei´s drum, der VW Iltis hat es sich verdient. So wie 1980 als der VW Iltis bei der Oasis Rallye und prompt die Plätze 1, 2 4 und 9 belegte. Das Qualitätsmerkmal von damals: Die Technik des Rallye Fahrzeug entsprach weitestgehend dem Serienfahrzeug. 29 Jahre später bescherte der Touareg dem Hause VW einen weiteren Dakar Titel, allerdings nicht mehr auf afrikanischen, sondern auf südamerikanischen Boden.

20 Kilometer vor Zagora, folgt für mich im Touareg der nächste Reifenschaden, so dass die letzten Kilometer bis nach Zagora mittels Notrad zurückgelegt werden müssen. Beim hiesigen Reifenhändler bekomme ich einen neuen Reifen und stelle fest: Das wir nicht die einzigen sind, die Probleme mit Ihrem fahrbaren Untersatz haben. Die Mechaniker hier haben allerhand zu tun. Nahezu jede Fahrzeugmarke steht Schlange, um den einen oder anderen Defekt beheben zu lassen. Egal ob Suzuki, Porsche oder Toyota, jeden trifft es einmal. Für uns war der Reifenschaden die letzte Reparatur auf der Reise.

Sommer 2014, Deutschland: Marokko ist einfach ein schönes Land. Nirgendwo in unmittelbarer Nähe, zumindest in einer erträglichen Zeit, kann man Kultur, Menschen, Berge und Wüstenlandschaften so intensiv erleben. Vor allem im Frühling, wenn bei uns das Nasskalte Wetter noch vorherrscht, findet man in Marokko die ersten warmen Sonnentage und der Himmel ist meist Wolkenlos. Ein Grund mehr nächstes Frühjahr wiederzukommen. Einen klaren Punktsieger beim Generationen Treffen gibt es nicht. Zu sehr litt der Touareg unter der falschen Reifenwahl. Stimmt dieses Paket allerdings, dann ist der Touareg eine richtig gute Alternative zu vielen anderen Reisefahrzeugen, weil Komfort, Geländefähigkeit und Kraft ein gutes Gesamtpaket abgeben. Den Iltis liebt man vom Fleck weg. Er ist nicht geschminkt, er ist ehrlich und direkt. Er gaukelt keinen Komfort vor und öffnet Dir in fremden Ländern manch verschlossene Tür. Seine Geländefähigkeit ist unbestritten, mit Ihm „reist“ man, nur etwas Zeit muss man mitbringen.

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