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THE FUTURE

OF OVERLANDING?

21. Januar 2021

Testbericht: vollelektrischer SUV von VW

THE FUTURE OF OVERLANDING?

Mit dem ID4 steht der erste vollelektrische SUV von Volkswagen bei den Händlern. Mit dem Claim „Stark wie ein SUV, nachhaltig wie ein ID“ soll er die in die Zukunft der Mobilität weisen. Mit der Brille: Was könnten dies für die Zukunft des internationalen Überlandreisens bedeuten, waren wir mit einem ID4 auch abseits der befestigten Straßen unterwegs und hatten ein paar interessante Einsichten.

Das weltweit meist verkaufte Modell von VW ist der Tiguan. Kein Wunder also, dass nach dem ID.3 in PKW Hülle mit dem ID.4 direkt ein Elektro SUV folgt. Böse Zungen sagen: „SUVs können alles, aber nichts richtig.“ Pragmatiker erkennen an, dass moderne SUVs recht gekonnt den Spagat zwischen den verschiedensten Anforderungen und Fahrumfeldern hinbekommen, was einfach eine große und für scheinbar viele Nutzer eine attraktive Schnittmenge ergibt. Und zugegeben – selbst mit den mittlerweile gängigen 2WD Vehikeln ließen sich theoretisch Kontinent Durchquerungen problemlos durchführen.

Dass diese Art der Nutzung dieser Pseudogeländewagen nicht nur nicht im Fokus der Ingenieure und der meisten Käufer steht, lässt sich leicht an mickriger Bodenfreiheit, Niederquerschnittsreifen und langen Überhängen schließen. Auch der ID.4 bleibt diesem Konzept treu. Unter dem Fahrzeug sind um die 17cm Platz, lediglich die Überhänge sind konzeptbedingt angenehm kurz. Die Maße und das Platzangebot ähneln konventionellen Mittelklasse-SUVs. Der Innenraum spiegelt die obligatorische „innovative Modernität“ wieder. Die Bedienung erscheint gewollt anders als die ergonomisch bewährten Konzepte, jedoch ist eine Eingewöhnung nach recht kurzer Zeit möglich und es geht mit vollem Akku und einer Reichweite von 335km los. Sowohl mit unserer Fernreisebrille, aber auch mit der Nervosität von E-Novizen befällt uns gleich ein erster Schub von Reichweitenangst. Aus Fernreisesicht kann dies für manche Etappen (Patagonien, Sahara, Australien…) deutlich zu wenig sein. Dazu jedoch später, bei aktuellen Außentemperaturen um die Null Grad befürchten wir jedoch, dass diese Reichweite mit Nutzung der Heizung und durch die Kälte unverhältnismäßig schrumpfen könnte. Soviel schon einmal vorweg – diese Befürchtung blieb bei der Fahrt mit normaler Reisegeschwindigkeit unbegründet. Nach 150km waren noch 190km Reichweite verfügbar. Im Sommer versprich VW Reichweiten um die 500km.

 

"VW SLOGAN: 

Der neue ID.4: stark wie ein SUV,

nachhaltig wie ein ID."

 

Wie sieht es abseits der befestigten Straßen aus? Die erste Enttäuschung lässt nicht lange auf sich warten: Die von uns gefahrene Edition 1st ist nicht fertig konstruiert und verfügt lediglich über Hinterradantrieb (Allradversionen sollen in den nächsten Monaten folgen). Dafür schlägt sich der ID4 jedoch auf rutschigem Geläuf überraschend souverän. Zwar nervt die überaus sicherheitsbewusste Abstimmung des ESP – engagierte Heckschwenks und durchdrehende Räder werden schon im Ansatz weggeregelt, aber das gefürchtete Winterszenario mit einem Antriebsrad auf Eis und dem anderen auf fester Fahrbahn meistert der ID.4 erstaunlich effizient. Zwar fehlt auch hier nicht nur eine Differenzialsperre, sondern gleich auch noch das ganze Differenzial, aber statt mit Bremseingriffen durchdrehende Räder zu stoppen, wird hier einfach nur soviel Antriebsenergie an das einzelne Rad geliefert wie übertragen werden kann. Diese beeindruckende Vorstellung lässt sich sogar wiederholen, wenn ein Rad komplett in der Luft hängt, solange das am Boden befindliche Rad genug Gripp für die Weiterfahrt aufbauen kann geht es ruckfrei voran.

Die Verschränkung des ID.4 ist jedoch marginal (wahrscheinlich auf dem Niveau eines Lamborghini Countach), auch auf schnellen Schotterstrecken wird der Federweg noch ausreichen, für gröbere Verwerfungen braucht es ausgesprochene Vorsicht oder ein anderes Konzept wie den Rivian.

Für Fotos fahren wir noch zu einer niedrigen Furt, jedoch trauen wir uns nur einige wenige Zentimeter hinein. Obwohl wir in der Mongolei gesehen haben wie ein alter Toyota Prius beeindruckend tiefe Wasserlöcher durchquert hat, warten wir mit solchen Furten bis wir mit den Entwicklern über deren Einschätzung gesprochen haben und sind gespannt auf das Ergebnis.

Diese Unbekannte ist auch ein guter Auftakt für unser Fazit: Mit einem reinen E-Fahrzeug auf eine ausgedehnte Overlandingtour gehen ist aus unserer Sicht prinzipiell möglich und wenn sich die Fahrzeugvielfalt in Punkto Bodenfreiheit, Robustheit und Geländetauglichkeit weiter Richtung Vans und Geländewagen erweitert könnte man sogar mit den aktuellen Reichweiten leben. Sicherlich müssten Routen angepasst werden oder Fahretappen anders geplant werden. Im Gegensatz zu konventionellen Reisezielen gäbe es jedoch tatsächlich die Möglichkeit mit Solarzellen eine vollständige Autarkie, zugegeben zum Preis ausgedehnter Standpausen herzustellen. Momentan sind die E-Fahrzeuge den Konventionellen noch nicht ebenbürtig, jedoch ist eine E-Xpedion keine Unmöglichkeit mehr, sondern ähnelt eher einem Automobilen Abenteuer aus den Kindertagen des Verbrennungsmotors.

Wie sieht es mit der mittelfristigen Zukunft eines sinnhaften Einsatzes von E-Fahrzeugen als Reisemobile aus? Hierbei klammern wir einmal die ökologischen und ethischen Aspekte um Stromerzeugung, Herstellung und Entsorgung aus und bleiben ignorant bei dem Anwendungsnutzen.

Das hat uns gefallen:

Als große Fans der 7er Serie von Toyota halten wir Zuverlässigkeit und Wartungsarmut für einen zentralen Aspekt bei Reisen außerhalb Europas. Besonders hier können E-Fahrzeuge tatsächlich mit Ihrer Bauteil- und Verschleißarmut punkten. Der individuelle Antrieb der einzelnen Motoren müsste auch in schwerem Gelände sehr gut funktionieren. Da dies jedoch auch mit einem hohem Aufwand an Regelungselektronik verbunden ist, würden wir uns jedoch einen Schalter wünschen mit dessen Hilfe ein gleichmäßiger Antrieb der Räder manuell aktiviert werden kann. Wirklich gut gefällt uns auch die Möglichkeit eines dosierbaren „One Pedal Drives“ bei dem die Bremswirkung über die Rekuperation gesteuert wird.  Da wegen der Rekuperation auch die Bremsen etwas weniger beansprucht werden, könnten sogar relativ kleine Felgendurchmesser mit angemessener AT/MT Bereifung aufgezogen werden. Selbst der ID.4 rollt zwar auf 19er Breitreifen, der Umfang entspricht jedoch immerhin den beliebten 205/85-16er Erstausstattungsreifen des Hilux. 245/70-17 könnte selbst auf diesem SUV also evtl. passen;)

Das sehen wir kritisch:

Gewicht ist bei Fernreisefahrzeugen immer ein Thema. Die 3,5 Tonnenmarke wird schon heute von reisefertig ausgestatteten Geländewagen und Vans gestreift. Der ID.4 wiegt über 2,1t und hat ein max. Gewicht von 2,66t – ein vergleichbarer Tiguan liegt lediglich bei 1,5t und hat 100kg mehr Zuladungsreserve. In einer Fahrzeugklasse darüber wird es dann mit den 3,5t sehr eng. Diese Ausbaustufe in eine deutlich robustere Fahrzeugkategorie wird jedoch für einen reisealltagsgerechten Nutzen notwendig sein, damit eine Weltreise mit einem E-Fahrzeug nicht nur ein spannendes Abenteuer, sondern auch niedrigschwelliger Genuss werden kann.

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